Veröffentlichung aller Test-Ergebnisse von Medikamentenstudien

Am 29. Oktober 2012 teilte das British Medical Journal im Editorial mit, dass nur noch Arzneimittelstudien publiziert würden, wenn der verantwortliche Hersteller sämtliche Rohdaten der entsprechenden Studie anderen Forschern auf Verlangen herausgibt.[1]

Das British Medical Journal war die erste grössere Fachzeitschrift, welche diese weitgehende Transparenz von den verantwortlichen Herstellern forderte.[2] Dies war Ausdruck der Bestrebungen vieler Patientenschützer und Forscher für erhöhte Transparenz im Bereich der Arzneimittelstudien. Ohne die Verpflichtung zur Veröffentlichung aller Studien unabhängig von ihrem Ergebnis, besteht die Gefahr, dass die verantwortlichen Hersteller ungünstige Studien nicht publizieren. Dies führte u.a. dazu, dass unerwünschte Nebenwirkungen erst verspätet öffentlich bekannt wurden.[3]

Die Europäische Kommission unterbreitete 2012 einen Vorschlag, um den Bereich der klinischen Prüfungen von Humanarzneimittel für alle Mitgliedstaaten verbindlich zu regeln und dabei auch die Transparenz zu erhöhen. Das EU-Parlament und der EU-Ministerrat verabschiedeten im April 2014 die entsprechende Verordnung Nr. 536/2014. Diese Verordnung zentralisiert und homogenisiert die Zulassungsverfahren der einzelnen Mitgliedstaaten, welche die Zulassungsverfahren für klinische Studien nun unter Leitung eines Mitgliedstaates koordinieren müssen. Sämtliche Informationen und Daten im Zusammenhang mit einer Studie werden in Zukunft über ein einziges zentrales EU-Portal, welches von der Europäischen Kommission betrieben werden wird, laufen. Dies bedeutet eine erhebliche Vereinfachung für multizentrische Studien. Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) ist zurzeit damit beschäftigt, im Dialog allen Beteiligten die Umsetzung der neuen Regulierungen, insbesondere die Einrichtung dieses elektronischen Portals, voranzutreiben. Gemäss der EMA sollte frühestens Ende Mai 2016 die ersten Studien gemäss den neuen Regeln publiziert werden.[4]

Die Verordnung Nr. 536/2014 sieht wie bereits erwähnt eine Verbesserung der Transparenz im Bereich der Arzneimittelstudien vor. Diese Transparenz soll nicht nur einen breiter abgestützten Zulassungsentscheid ermöglichen, sondern auch die Nachvollziehbarkeit von Arzneimittelstudien gewährleisten. Dies wird dadurch erreicht, dass die Daten aller Studien unabhängig von deren Ergebnissen in einer zentralen Datenbank, welche Teil des oben erwähnten EU-Portals ist, anonymisiert veröffentlicht werden. Separate Zusammenfassungen für Fachleute sowie Laien sind als weitere Massnahme zur Transparenzsteigerung vorgesehen.[5] Personenbezogene Daten oder Daten, welche Geschäftsgeheimnisse betreffen, werden nicht veröffentlicht.

Es lässt sich zwar nicht ausschliessen, dass mit der erhöhten Transparenz eine gewisse Gefahr für die wirtschaftlichen Interessen der Sponsoren solcher Studien geschaffen wird. Nach Meinung der SMLA ist angesichts der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter diese Gefahr aber zu vernachlässigen. Ferner sind datenschutzrechtliche Bedenken zu berücksichtigen. Die Anforderungen an die Datenbank im Bereich der Benutzerfreundlichkeit und Alltagstauglichkeit sind hoch. Um die Ziele im Bereich der Transparenz zu erreichen, müssen die wichtigen Informationen trotz der enormen Datenmenge, welche bei solchen Studien anfallen, einfach zu finden sein. Insbesondere Laien werden ansonsten Mühe haben, innert vernünftiger Zeit sich anhand der riesigen Fülle an Daten ein Bild von einer Studie und ihren Ergebnissen zu machen. Die Transparenz im Bereich der Rohdaten alleine genügt ohne entsprechende Aufarbeitung und Präsentation nicht, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Diese Aufarbeitung muss von unabhängiger Seite erfolgen, da ansonsten auch mit der neuen Regelung das Risiko besteht, dass der Konsument keine objektiven Informationen erhält.

[1] Das Editorial ist zu finden unter: http://www.bmj.com/content/345/bmj.e7304#ref-1 (zuletzt besucht am 9. Juli 2015).

[2] Nicola Kuhrt, Ärzteblatt-Initiative: Pharmakonzerne sollen alle Daten offenlegen, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/bmj-pharmakonzerne-muessen-alle-studien-offenlegen-a-865429.html (zuletzt besucht am 9. Juli 2015).

[3] Nicola Kuhrt, Europäische Arzneimittelbehörde gefährdet eigene Transparenzziele, abrufbar unter: http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/ema-eu-arzneimittelbehoerde-gefaehrdet-eigene-transparenziele-a-970201.html (zuletzt besucht am 9. Juli 2015).

[4] European Medicines Agency, EMA getting ready for the publication of clinical data, abrufbar unter: http://www.ema.europa.eu/ema/index.jsp?curl=pages/news_and_events/news/2015/06/news_detail_002343.jsp&mid=WC0b01ac058004d5c1 (zuletzt besucht am 9. Juli 2015).

[5] Amtsblatt der Europäischen Union, L 158/ 1 ff. vom 27. Mai 2014, Ziff. 67.