Neue Verordnung zur Vermeidung von Engpässen bei Versorgung mit Heilmitteln

Im Juni vergangenen Jahres sprach sich der Bundesrat für den Aufbau einer Informations- und Koordinationsplattform zur Erfassung von Engpässen von Humanarzneimitteln aus. Dieser Grundsatzentscheid führte zur Verordnung über die Meldestelle für lebenswichtige Humanarztmedizin, welche am 1. Oktober 2015 in Kraft trat. Der Startschuss für die Erfassung von Engpässen ist mit Inkrafttreten der Verordnung gefallen.[1]

Mit dem Aufbau der Meldestelle zur Sicherstellung der Landesversorgung mit lebenswichtigen Heilmitteln wurde das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung beauftragt. Hauptaufgabe der Meldestelle ist die Führung und Bewirtschaftung eines Datenbearbeitungssystems über Versorgungsengpässe und Lieferunterbrüche von lebenswichtigen Humanarzneimitteln (vgl. Art. 1 und 2 Humanarzneimittelverordnung). So soll die Meldestelle im Sinne eines Frühwarnsystems funktionieren und eine rasche Erfassung der Versorgungsstörung und die Einleitung geeigneter Massnahmen ermöglichen, falls die Wirtschaft die Situation nicht selbst bewältigen kann. Die Verordnung legt die Voraussetzungen der Meldepflicht, die Art der Erfassung, den Inhalt und die Form der Meldungen, die Aufgaben der Meldestelle sowie den Umgang mit den geschützten Daten fest[2].

Zulassungsinhaberinnen, die Humanarzneimittel mit bestimmten Wirkstoffen in Verkehr bringen (d.h. die Pharmaindustrie), wurden mit der Inkraftsetzung der Humanarzneimittelverordnung verpflichtet, Engpässe zu melden, falls eine Dosierungsstärke eines lebenswichtigen und versorgungskritischen Humanarzneimittels während voraussichtlich mehr als 14 Tagen nicht verfügbar sein wird[3]. Bei den der Verordnung unterstellten Wirkstoffen handelt es sich um versorgungskritische Wirkstoffe, bei denen keine oder nur eine beschränkte Substitution möglich ist und die in den letzten drei Jahren von einem Versorgungsengpass betroffen waren (vgl. Art. 3 Humanarzneimittelverordnung), wie beispielsweise Antibiotika und Impfstoffe (vgl. Anhang der Humanarzneimittelverordnung).

Die eingegangenen Informationen werden von einem multidisziplinären Fachausschuss analysiert, mit dem Ziel, situationsgerechte und zielgerichtete Massnahmen zu empfehlen. Im Fachausschuss vertreten sind Bund, Kantone, Leistungserbringer sowie die Pharmaindustrie. Zugriff auf das Datenbearbeitungssystem haben einzig die Organe des Bereichs Heilmittel, der Datenschutzberater und die für den Betrieb und den Unterhalt des Systems zuständigen Personen (vgl. Art. 5 Humanarzneimittelverordnung). Die Weitergabe von Daten ist grundsätzlich nicht zulässig. Ausgenommen sind die Gesundheitsbehörden der Kantone oder des Bundes, wenn diese die Daten für die Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrags benötigen, sowie Dritte, wenn die Daten ausschliesslich zu wissenschaftlichen Zwecken verwendet werden. Werden die Daten an Dritte weitergeleitet, so hat die Meldestelle die Daten zu anonymisieren.

Bund, Kantone und Leistungserbringer äusserten sich positiv über die neue Verordnung. Sie loben insbesondere die schnelle Umsetzung des Grundsatzentscheides und unterstreichen die Notwendigkeit einer solchen Meldestelle[4]. Die Pharmaindustrie hingegen gab sich im Vorfeld des Vernehmlassungsprozesses kritisch[5] und vertrat den Standpunkt, die Meldepflicht dürfe nicht dazu führen, dass Hersteller und Vertreiber von Humanarzneimitteln ihre Produkte nicht mehr vom Markt nehmen dürfen, da die damit einhergehenden Rechte und Verantwortlichkeiten einzig bei den Zulassungsinhaberinnen lägen und jede Art von Eingriff in die Wirtschaftsfreiheit abzulehnen sei.

Dieser Kritikpunkt zeigt auf, dass sich die neue Verordnung zur Vermeidung von Engpässen bei Versorgung mit Heilmitteln in einem Spannungsfeld zwischen Gewährleistung der Landesversorgung einerseits und der Wirtschaftsfreiheit der Pharmaindustrie andererseits befindet. Ob und inwieweit die Wirtschaftsfreiheit durch die Verordnung über die Meldestelle für lebenswichtige Humanarzneimittel eingeschränkt wird, bzw. eingeschränkt werden kann, wird sich weisen. Fest steht, dass den Grundprinzipien der Verhältnismässigkeit und des öffentlichen Interesses – wie bei jeder Grundrechtseinschränkung i.S.v. Art. 36 BV grosse Bedeutung zukommen wird.

[1]     Medienmitteilung vom 12. August 2015: Bund will Engpässe bei Versorgung mit Heilmitteln verhindern. Abrufbar unter: https://www.wbf.admin.ch/de/aktuell/medieninformationen/medienmitteilungen/medienmitteilungen-2015/?tx_rsspicker_pi_list%5Boid%5D=58301&tx_rsspicker_pi_list%5Bview%5D=single; zuletzt abgerufen am 15. Dezember 2015.

[2]     Medienmitteilung vom 12. August 2015: Bund will Engpässe bei Versorgung mit Heilmitteln verhindern. Abrufbar unter: https://www.wbf.admin.ch/de/aktuell/medieninformationen/medienmitteilungen/medienmitteilungen-2015/?tx_rsspicker_pi_list%5Boid%5D=58301&tx_rsspicker_pi_list%5Bview%5D=single; zuletzt abgerufen am 15. Dezember 2015.

[3]     Medienmitteilung vom 12. August 2015: Bund will Engpässe bei Versorgung mit Heilmitteln verhindern. Abrufbar unter: https://www.wbf.admin.ch/de/aktuell/medieninformationen/medienmitteilungen/medienmitteilungen-2015/?tx_rsspicker_pi_list%5Boid%5D=58301&tx_rsspicker_pi_list%5Bview%5D=single; zuletzt abgerufen am 15. Dezember 2015.

[4]     Beispielhaft die Medienmitteilung der Gesundheits- und Fürsorgekommission des Kantons Bern vom 27. November 2014. Abrufbar unter: https://www.gef.be.ch/gef/de/index/direktion/ueber-die-direktion/aktuell.meldungNeu.onemeldungonly.portalnavrrcsubeleme_0.html/portal/de/meldungen/
mm/ 2014/11/2014 1126_0952 _kurzinformation_ausdemregierungsrat
; zuletzt abgerufen am 15. Dezember 2015.

[5]     Stellungnahme der Interpharma vom 27. November 2014. Abrufbar unter: http://www.interpharma.ch/sites/default/files/iph-anhoerung-vo-meldestelle-lebenswichtige-medikamente-2014.pdf; zuletzt abgerufen am 15. Dezember 2015.