Praxisänderung in der Arzneimittelwerbung hinsichtlich Vorkontrolle

Die Werbung für Arzneimittel ist im Bundesgesetz über Arzneimittel und Medizinprodukte (HMG) und in der Verordnung über die Arzneimittelwerbung (AWV) eng reguliert. Gemäss Art. 31 Abs. 3 HMG kann der Bundesrat zum Schutz der Gesundheit und zum Schutz gegen Täuschung die Werbung für bestimmte Arzneimittel oder Arzneimittelgruppen beschränken oder verbieten. Mit dem Erlass der AWV hat der Bundesrat von der Möglichkeit der Beschränkung Gebrauch gemacht und die Arzneimittelwerbung in bestimmten Medien sowie für gewisse Arzneimittel und Arzneimittelgruppen (sog. sensible Gruppen: Analgetika, Schlafmittel, Seditiva, Laxantia und Anorexika) unter eine Vorkontrolle gestellt. Art. 23 AWV unterscheidet zwischen Arzneimittel der Abgabekategorien C und D (vgl. Art. 25-26 der Arzneimittelverordnung VAM) und den Arzneimitteln der sensiblen Gruppen sowie zwischen verschiedenen Werbemedien.[1]

Das Bundesverwaltungsgericht musste sich im Urteil vom 4. November 2013 (C-2220/2010) mit der Frage auseinandersetzen, welche Kriterien ein Arzneimittel der sensiblen Gruppen, in diesem Fall der Gruppe Anorexika, erfüllen muss, damit die Werbung für dieses Arzneimittel unter die Vorkontrolle von Art. 23 Abs. 1 AWV fällt. Es kam in seinem Urteil zum Schluss, dass es Sinn und Zweck von Art. 23 AWV ist, Werbung für Arzneimittel, welche ein Missbrauchs- oder Abhängigkeitspotential aufweisen, zum Schutz vor unzweckmässigem und übermässigem Gebrauch der Vorkontrolle zu unterstellen.[2] Es fallen folglich nicht sämtliche Präparate der sensiblen Gruppen unter die Vorkontrolle, sondern nur diejenigen, welche auch ein Missbrauchs- und Abhängigkeitspotential enthalten. Die damalige Praxis des Schweizerischen Heilmittelinstituts wurde als falsch eingestuft, worauf das Institut mit einer Praxisänderung reagierte. Mit der Praxisänderung per 1. Januar 2014 beschränkte das Schweizerische Heilmittelinstitut die Vorkontrollpflicht für Publikumswerbung in gedruckten Medien (Art. 15 lit. a AWV) und mittels Einsatz audiovisueller Mittel (Art. 15 lit. c AWV) auf Analgetika, Schlafmittel, Seditiva, Laxantia und Anorexika, die ein Missbrauchs- oder Abhängigkeitspotential in ihrer Arzneimittelinformation erwähnen.[3]

Die Vorkontrollpflicht der Publikumswerbung im Radio, am Fernsehen und im Kino für alle Arzneimittel der Abgabekategorie C und D war hingegen nicht Gegenstand des Verfahrens und blieb daher unverändert. Im Rahmen der ordentlichen Revision des HMG und der damit einhergehenden Überprüfung der AWV ist auch über die Vorkontrollpflicht diskutiert worden.[4] Dabei wurde vor allem die Mediennutzung der Bevölkerung anhand der Statistiken des Bundesamts für Statistik analysiert.[5] Das Institut stellte fest, dass heute Informationen zu Arzneimitteln, sofern keine Konsultation eines Arztes erfolgt, vorwiegend über das Internet gesucht werden, und nicht etwa über Radio, Fernsehen oder Kino. Die Vorkontrolle der Werbematerialien in elektronischen Medien wie Radio, Fernsehen und Kino entspricht folglich nicht mehr der heutigen gesellschaftlichen Mediennutzung und ist unter den heutigen Rahmenbedingungen nicht mehr adäquat.[6]

Das Schweizerische Heilmittelinstitut hat aufgrund dieser Erkenntnisse entschieden, seine Praxis der Vorkontrolle von Arzneimittelwerbung (Art. 23 Abs. 1 AWV) per 1. Januar 2017 anzupassen. Dabei soll die Vorkontrolle der Publikumswerbung medienunabhängig auf sensible Arzneimittel mit Missbrauchs- oder Abhängigkeitspotential beschränkt und die Eigenverantwortung der Urheber von Publikumswerbung stärker gewichtet werden. Mit anderen Worten ist Publikumswerbung gemäss Art. 15 lit. a und c AWV sowie Werbung im Radio, am Fernsehen und im Kino nur noch dann dem Institut vorgängig zur Bewilligung vorzulegen, wenn das zu bewerbende Arzneimittel aus der Arzneimittelgruppe Analgetika, Schlafmittel, Seditiva, Laxantia oder Anorexika stammt und für dieses Arzneimittel ein Missbrauchs- oder Abhängigkeitspotential in der Arzneimittelinformation erwähnt ist. Künftig hat der Zulassungsinhaber bzw. die Urheberschaft der Werbung zu prüfen, ob das zu bewerbende Arzneimittel gemäss Arzneimittelinformation ein Missbrauchs- oder Abhängigkeitspotential aufweist. Ist dies der Fall, so ist ein Gesuch für eine Werbebewilligung beim Institut einzureichen. In den anderen Fällen entfällt die Pflicht zur Vorkontrolle.[7]

Die Praxisänderung hinsichtlich der Vorkontrolle in der Arzneimittelwerbung trägt der laufenden Überprüfung der AWV sowie der Entwicklung der einer zeitgerechten Mediennutzung Rechnung. Die Vereinigung der Schweizer Medizinalrechtsanwälte SMLA begrüsst diese Praxisänderung daher.

[1] Arzneimittelwerbung: Praxisänderung hinsichtlich Vorkontrolle: https://www.swissmedic.ch/aktuell/00673/03513/index.html?lang=de, zuletzt abgerufen am 10.10.2016

[2] BVGer C-2220/2010 vom 4. November 2013: http://www.bvger.ch/publiws/pub/cache.jsf, zuletzt abgerufen am 10.10.2016

[3] Arzneimittelwerbung: Praxisänderung hinsichtlich Vorkontrolle: https://www.swissmedic.ch/aktuell/00673/03513/index.html?lang=de, zuletzt abgerufen am 10.10.2016

[4] Arzneimittelwerbung: Praxisänderung hinsichtlich Vorkontrolle: https://www.swissmedic.ch/aktuell/00673/03513/index.html?lang=de, zuletzt abgerufen am 10.10.2016

[5] Bundesamt für Statistik: Entwicklung der Internetnutzung in der Schweiz von 1997 – 2016: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/16/04/key/approche_globale.indicator.30106.2.html?open=1#1, zuletzt abgerufen am 10.10.2016

[6] Arzneimittelwerbung: Praxisänderung hinsichtlich Vorkontrolle: https://www.swissmedic.ch/aktuell/00673/03513/index.html?lang=de, zuletzt abgerufen am 10.10.2016

[7] Arzneimittelwerbung: Praxisänderung hinsichtlich Vorkontrolle: https://www.swissmedic.ch/aktuell/00673/03513/index.html?lang=de, zuletzt abgerufen am 10.10.2016